Geschichte des Geschlechts von Sternberg
Das Geschlecht der Grafen von Sternberg gehört zu den ältesten böhmischen Adelsfamilien im Land. Es geht um das einzige Geschlecht, das seit je im herrschaftlichen Stand gewesen ist. Seine Mitglieder haben sich in die tschechische sowohl politische als auch kulturelle Geschichte beträchtlich eingeschrieben.
Ihr angeblicher Urahn Diwisch lebte vielleicht schon am Anfang des 12. Jahrhunderts. Im 13. Jahrhundert zeichnete sich durch seine Tapferkeit Zdeslav von Sternberg, Mitglied des Gefolges des späteren Königs Přemysl Ottokar II., der im Jahre 1253 die Verteidigung der Stadt Olmütz leitete, aus. Der Streit um das österreichische Erbe der Babenberger, den Přemysl mit dem ungarischen König Bela IV. führte, übertrug sich bis nach Mähren. Die ungarischen Kumanen belagerten Olmütz und Zdeslav von Sternberg zersprengte tapfer ihre Armee, tötete den kumanischen Anführer und schlug die Kumanen in die Flucht.
Dem gegenüber ist das Heldentum von Jaroslav von Sternberg, der angeblich 1241 bei Olmütz die tatarischen Truppen niederschlug, bloßes romantisches Märchen des 19. Jahrhunderts und wir stoßen darauf nur in der „Königinhofer Handschrift". In ihrer Zeit war diese neuzeitliche Legende sehr populär; aus dem 19. Jahrhundert stammen auch zahlreiche Bilder mit dieser Szene. Man kann sie in verschiedenen Sternbergischen Residenzen finden. In der Umgebung von Olmütz, auf ihrer Burg Sternberg, lebten die Sternberger einige Jahrhunderte. An der Wende des 13. und 14. Jahrhunderts teilte sich das Geschlecht in einige Zweige auf. Aus dem mährischen Zweig zeichnete sichAlbert Sternberg (+ 1380) aus. Er widmete sich der kirchlichen Karriere: Er war Dekan des Olmützer Kapitels, Bischof in Zwerin (heute Schwerin in Mecklenburg), Bischof in Magdeburg und letztendlich in Leitomischl. Die mährische Linie der Sternberger überlebte nicht das 16. Jahrhundert.
Der zweite Zweig, sog. Sternberg von Holitz, wurde besonders im 15. Jahrhundert berühmt. Ein Teil der Familie schloss sich damals der hussitischen Bewegung an. Kunigunde von Sternberg (1422-1449) wurde zur Frau des späteren böhmischen Königs Georg von Kunstadt und Podiebrad. Im Volk war sie beliebt, weil sie dem hussitischen Glauben treu blieb und „die Mutter der Armen" war.
Petr von Sternberg stellte sich im Gegenteil gegen die hussitische Revolution. Schon im Jahre 1414 begleitete er den Bischof von Leitomischl Jan Železný, den Gegner und Feind von Jan Hus, auf der Reise nach Konstanz. Nach seiner Rückkehr nach Böhmen schloss er sich aktiv dem gegenhussitischen Kampf an. Er versammelte das Heer und überfiel die hussitischen Haufen. Er kämpfte gegen Jan Žižka von Trocnov bei Sudoměř, Benešov und fiel 1420 in der Schlacht bei Wyschehrad.
Ein weiteres Geschlechtsmitglied, Aleš von Sternberg (+1455), blieb auch Katholik und diente dem König Sigismund. Politisch und religiös war er jedoch sehr gemäßigt und bemühte sich, alle Streite durch Versöhnung zu lösen. Aber auch er hat sich den kriegerischen Aktionen nicht entzogen. Im Jahre 1422 eroberte und brannte er die Stadt Rakovník nieder und wurde dafür vom Sigismund reich belohnt. Später wurde er von den Prager Hussiten gezwungen, die vier Prager Artikel zu anerkennen. Im Jahre 1434 kämpfte er in der Schlacht bei Lipan, die eine definitive Niederlage der hussitischen Radikalen bedeutete und den Weg zur Stabilisierung der Verhältnisse im Land vorbereitete. Auch in späteren Jahren zeigte sich Aleš als gemäßigter Politiker und Diplomat und bezog praktisch die Positionen des böhmischen hussitischen Adels.
Die Angehörigen des Geschlechts Sternberg von Holitz bekleideten während einiger folgender Jahrhunderte eine Reihe von bedeutenden Funktionen in der Staatsverwaltung und starben 1712 in männlicher Linie aus. Bis zu unserer Zeit lebt der Zweig Sternberg von Konopischt. Auch er griff in die stürmische Geschichte der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts ein. Zdenko von Sternberg (+1476), ein leidenschaftlicher, unbarmherziger und selbstsüchtige Adeliger, war ein Musterexemplar eines Menschen, der die Situation ausnützen und seine politischen und religiösen Ansichten nach den Umständen ändern kann. Den König Georg von Podiebrad unterstützte er zwar anfangs, aber später schloss er sich seiner Opposition an. Unter dem Vorwand der Verteidigung des Glaubens nutzte er die Zwietracht zwischen dem König und dem Papst aus und im Rahmen der Grünberger Allianz setzte er sich ihm zur Wehr. Durch eine päpstliche Bulle wurde er zum Befehlshaber der katholischen Partei gegen den verurteilten König Georg ernannt. Der nannte ihn im Gegenteil „den Störenfried" und führte mit ihm einen regelrechten Krieg. 1468 wurde Zdenko auf Konopischt geschlagen, entfloh und verband sich mit dem ungarischen König Matthias; der ernannte ihn bei dem Versuch um die Eroberung von Böhmen zum höchsten böhmischen Hauptmann. Nach dem Tod des Königs Georg gewann er ein Teil seiner Güter in Böhmen zurück.
Seine Natur erbte wahrscheinlich sein Sohn Jaroslav (1463-1492), königlicher Verwalter der Oberlausitz, woher er wegen seiner Eigenschaften nach einiger Zeit vertrieben wurde.
Während des 16. Jahrhunderts weitete sich das Geschlecht aus und sein Besitz änderte sich immer. In der Zeit des Ständeaufstands im Jahre 1618 schlossen sich manche Sternberger, z. B. Václav (+1628), dem Widerstand an und wurden durch Konfiskation gestraft. Stephan Georg von Sternberg (+1625) war utraquistischen Glaubens, nahm auch am Widerstand gegen den Kaiser teil, aber kurz nach der Schlacht am Weißen Berg ging er auf die katholische Seite über.
Einen bedeutenden Erfolg erreichte Franz Philipp von Sternberg (1708-1786), Ritter des Ordens vom Goldenen Vlies, Diplomat und Politiker, der zum Mitglied des schwäbischen Kollegiums der Reichsgrafen wurde. Sein Enkel Franz Joseph (1763-1830) erbte von seiner Mutter den Titel der ausgestorbenen Grafen von Manderscheid; er war ein sehr gebildeter Mann, Gönner und beträchtlich freidenkerischer Politiker. Er hatte Sitz in Prag, traf sich mit bedeutenden böhmischen Wissenschaftlern und Künstlern und unterstützte die Entwicklung der Wissenschaft und der Kunst in Böhmen. Er war ein leidenschaftlicher Sammler von Kunstgrafik, Gemälden und ein erfahrener Numismatik. Auf seinen Anlass wurde zu Ende des 18. Jahrhunderts die Gesellschaft der vaterländischen Freunde der Kunst, deren Vorstand er bis ans Lebensende war, errichtet. Bei der Gründung des Nationalmuseums schenkte er der neuen Institution seine reichen Sammlungen von Münzen und Archivalien. Im 19. Jahrhundert starb der Zweig Sternberg-Manderscheid in der männlichen Linie aus.
Eine ausdrucksvolle Persönlichkeit des Geschlechts war auch Jáchym Sternberg (1755-1808). Er wurde vom František Martin Pelcl erzogen, in der Jugend diente er als Offizier in der kaiserlichen Armee des Generals Laudons, aber als Dreißigjähriger verließ er die Soldatenkarriere und begann sich der Wissenschaft zu widmen. Er beschäftigte sich mit Mathematik, Geometrie, Chemie, Alchemie und besonders Metallurgie. Es gelang ihm, die chemischen Vorgänge der im Hochofen verlaufenden Prozesse auf Grund der Oxidationstheorie zu erklären. Im Jahre 1790 unternahm er zusammen mit dem Franzosen Blanchard bei seiner Prager Produktion den Flug in der Montgolfiere. Er unternahm lange Reisen durch Europa und andere Kontinente und studierte die Entwicklung der technischen Wissenschaften und der Industrie. Über seine Reisen und neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen publizierte er zahlreiche Schriften und Artikel in Periodika. Ausgebreitet sind vor allem seine Reiseberichte aus Russland; er beschreibt in ihnen die schreckliche Situation dieses Staates und behauptet, dass ein Land, das unter die russische Herrschaft gelangt, früher oder später zur Wüste wird. Er hatte große Probleme mit der Zarenherrschaft, die ihm an freier Bewegung hinderte. Vielleicht das bekannteste Mitglied der Familie der Grafen von Sternberg war der Bruder von Jáchym - Kaspar Maria (1761-1838), Naturwissenschaftler und großzügiger Mäzen. Anfangs wirkte Graf Kaspar Sternberg als Kanoniker des Kapitels in Regensburg und widmete sich dem systematischen Studium der Botanik. Hier lernte er die bedeutendsten Kenner dieses Fachs kennen. Im Jahre 1809 wurde in den napoleonischen Kämpfen in Regensburg sein botanischer Versuchsgarten und Teil seiner Sammlungen zerstört. Er kehrte nach Böhmen zurück und lebte auf seinem Schloss Brzezina bei Rokitzan und in Prag. Auf Brzezina errichtete er einen neuen botanischen Garten. In Böhmen entfaltete er eine erhebliche Aktivität und wurde zum Begründer des Nationalmuseums und zum ersten Organisator seiner Sammlungen und Tätigkeit. Dem Museum widmete er sein ganzes Leben und beschenkte es mit umfassenden naturwissenschaftlichen Sammlungen und auch mit Finanzspenden. Damals war es noch im Sternbergpalast auf Hradschin untergebracht. Wissenschaftlich widmete er sich vor allem Paläontologie und Phytopathologie. Seine fachlichen Schriften schrieb er auf Latein oder auf Deutsch, denn er glaubte nicht an Tschechisch als Sprache der Wissenschaft. Kaspar Maria von Sternberg war ein Aufklärer, Gegner des metternichschen Polizeiregimes, aber zugleich Bekenner des konservativen politischen Stroms, der eindeutig die Monarchie in ihrer konstitutionellen Gestalt unterstützte. Er war sich dessen bewusst, dass die demokratisierenden Reformen sofort und von oben durchgeführt werden müssen, sonst wird sie das Volk selber erzwingen.
Unter den letzten Generationen der Grafen von Sternberg wurde Adalbert Wenzel (1868-1930), der Sohn Leopold von Sternbergs (1811-1899), des erfolgreichen kaiserlichen Generals und Trägers vieler Soldatenauszeichnungen, berühmt. Graf Adalbert Wenzel erbte die soldatische abenteuerliche Natur. In den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts reiste er Afrika vom nördlichen Teil der Sahara bis zum Süden durch. Er nahm am Burenkrieg teil und wurde 1900 zusammen mit dem Burengeneral Piet Arnold Cronjé (1840- 1911) von den Engländern festgenommen.
Später reiste er durch Nordafrika. Am Anfang des 20. Jahrhunderts versuchte er die politische Karriere und wurde zweimal zum Abgeordneten des österreichischen Reichsrats gewählt. Zusammen mit den Abgeordneten Udržal und Holandský bildete er das „Trio von wilden Pferden", die in den heftigen Diskussionen im Parlament nicht einmal die Vulgarismen mieden. Er war ein Freund vom österreichischen Thronfolger Franz Ferdinand d´ Este und seine politische Überzeugung kann man christlich-sozial nennen. Zugleich war er ein großer Verehrer von Karel Havlíček Borovský.
Er gab viele Reise-Studien, aber auch politische und andere Broschüren, die eine Reihe von Skandalen und Streiten hervorriefen, heraus. Diese löste er dann sehr oft im Zweikampf.
Seine politischen Broschüren sind nach den Worten eines zeitgenössischen Kritikers eine Mischung von „Genialität, Naivität und starker Wörter". Er gehörte zu grundsätzlichen Gegnern des österreichischen Zentralismus; er kritisierte die österreichische Innen- und Außenpolitik und wurde als Ehrenräuber bezeichnet. Adalbert Sternberg war ein genialer Abenteurer, ein ritterlicher Beschützer der Schwachen, aber er verlor in aufsehenerregenden Streiten umsonst viel seiner Energie.
Der zweite Weltkrieg traf die Sternberger als überzeugte Tschechen an und so traf sie die Strafe für ihren adeligen Ursprung erst im Jahre 1948, wann ihr ganzer Besitz konfisziert wurde. Ein besonderer Fall war Graf Georg Douglas Sternberg (1888-1965); als einziger Angehöriger der tschechischen Aristokratie wirkte er in der Funktion des Kastellans (des staatlichen Verwalters) auf seiner ehemaligen eigenen Burg Böhmisch Sternberg. Manche Familienmitglieder sind während der vergangenen 40 Jahre weggegangen und haben hauptsächlich in Nordhein-Westfalen, aber auch in Amerika gelebt. Heute ist der größte Teil des Besitzes der Familie restituiert.
Aus dem Buch „Modrá krev" (Blaues Blut) von Petr Mašek zitiert